Pappbecher ( Google) |
Sie sitzt auf einer roten,
zusammengefalteten Decke im Schutz eines Torbogens. Die Beine in einer
schwarzen Jogginghose angewinkelt, die schwarzen, langen Haare zu einem Zopf
gebunden. Sie trägt schwarze Turnschuhe mit pinken Schuhspitzen und ihr
zierlicher Oberkörper steckt in einem dunkelblauen Kapuzenpulli. Sie ist nicht
von hier. Aus Indien vielleicht. In ihren Händen hält sie einen Pappbecher, die
Öffnung leicht in Richtung der vorbeigehenden Leute geneigt. Und es kommen Viele
vorbei. Es ist Samstag. Einkaufstag. Die Einkaufstaschen prall gefüllt, strömen
die Passanten in Scharen vorbei. Sie bleibt stumm. Nur ab und zu muss sie
husten oder sich die Nase putzen. Doch sie weiß mit den Augen zu sprechen:
flehend und zugleich unschuldig blickt sie den Leuten schon von weitem
entgegen. Eine Frau bleibt stehen und gibt ihr Geld und das Mädchen bedankt
sich. Es vergeht einige Zeit, sie wiegt ihren Oberkörper leicht hin und her.
Verstohlen wirft sie einen Blick in den Becher und lässt unauffällig etwas
Kleingeld in ihrer Socke verschwinden. Die Tauben gurren in der Turmspitze als
sei nichts geschehen. Sie vergräbt ihre Hände in den Ärmeln ihres Pullis. Eine
Nonne eilt vorbei ohne sie eines Blickes zu würdigen. Das Mädchen muss den
Glauben an Barmherzigkeit schon längst verloren haben. Zwei Männer bleiben
stehen und kramen einige Münzen aus ihren Taschen. Das leise Klirren der in den
Becher fallenden Geldstücke verebbt ebenso rasch wie es gekommen ist. Die
Kirchturmuhr schlägt zwölf. Eine trostlose halbe Stunde ist verstrichen.
Raja Kraus
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen